Weniger Patriotismus, mehr Internationalismus wagen

 

Die Jusos sind ein sozialistischer, feministischer und internationalistischer Richtungsverband. Leider sind diese drei Grundbegriffe in unserer heutigen Gesellschaft sehr unterrepräsentiert.

Als Feminist*in hört man immer wieder, dass Frauen vollkommen gleichberechtig seien, gar sogar durch Instrumente wie die Frauenquote bevorzugt seien. Uns ist hoffentlich allen klar, dass das totaler Schwachsinn ist und Frauen in der Gesellschaft leider immer noch nicht gleichberechtigt sind, wie eine Lohndispersion von 21%[1] sowie eine Unterrepräsentanz von Frauen in Vorständen und Führungspositionen beweisen.

Im Folgenden möchte ich mich jedoch in erster Linie einem Thema widmen, welches mit Internationalismus und Sozialismus in keiner Weise vereinbar ist, sich allerdings gegenwärtig aus wenig erfindlichen Gründen steigender Beliebtheit erfreut, namentlich dem Patriotismus.

Im Jahr 2015 wurden alleine in Deutschland 21.993 rechtsextreme Straftaten begangen[2], die AfD sitzt in zehn von sechzehn deutschen Landtagen und würde auf Bundesebene aktuell rund 12% der Stimmen erhalten[3], was den Kampf gegen Rechte wichtiger denn je macht.

Doch die Ursache dafür liegt im nationalistischen Denken des Großteils der Bevölkerung.

Für mich gibt es keine klare Differenzierung zwischen Patriotismus und Nationalismus, auch wenn Patriot*innen oft strikt darauf beharren. Der Stolz auf eine Nation, aus welchen Gründen auch immer, führt stets zu einem geographischen Wir, welches innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen definiert wird. Aus diesem geographischen Wir folgt direkt ein geographisches „die anderen“. Stolz auf eine Nation führt also zu einem „Wir“-Gefühl und daraus resultiert eine Abgrenzung zu Personen anderer Nationalität, da man sich überlegen und besser fühlt. Die Abgrenzung der eigenen Nation gegenüber andere führt nur zu häufig zur Abwertung der Anderen, sei es durch ein „America First“ oder durch ein „Arbeit zunächst für Deutsche“. Daraus schließt sich auch, dass der Übergang zwischen Patriotismus und Nationalismus flüssig beziehungsweise nicht existent ist.

Bei Fragen, ob sie die Zeit der Weltkriege auch als positiv empfinden, kommt natürlich Ablehnung, da zumindest die meisten von ihnen diesen Geschichtsabschnitt als grausam empfinden. Oft sagen sie, dass sie ja auf das aktuelle Deutschland stolz seien. Der Widerspruch: Es wird sich sehr wohl auch auf deutsche Geschichte bezogen, so schätzen sie doch meist deutsche Dichter*innen wie Wolfgang Goethe oder Annette von Droste-Hülshoff.

Es liegt also eine Geschichtsvergessenheit vor, zumindest bei Abschnitten, die nichts Gutes bedeuten. Aber für mich stellt sich auch die Frage, warum ich auf das aktuelle Deutschland stolz sein soll. Auf Frauke Petry? Auf die AfD? Patriotische Bürger*innen, die nicht mit der AfD sympathisieren, entgegnen oft, dass diese ja nur einen Teil Deutschlands darstellen und nicht den, worauf sie stolz seien.

Doch nehmen wir diese Aussage und beziehen sie auf folgendes Beispiel:

In einer Klasse wird ein*e Schüler*in von zwei anderen Schüler*innen gemobbt. Niemand der restlichen Mitschüler*innen würde auf die Idee gekommen, dass sie*er stolz auf diese Klasse sei. In einer größeren Menge interessieren solche Dinge nicht, da ist Mensch auf die „deutsche Identität“ stolz und pflegt das „Wir“-Gefühl, egal was passiert oder passiert ist.

Aber auf was soll ich sonst stolz sein? Auf die funktionierende Wirtschaft, die oft erwähnt wird, die teils durch Ausbeutung entstanden ist? Auf deutsche Kultur, was auch immer das sein soll, die es zu verteidigen gilt?

Lasst uns weiter kämpfen und  nicht stupide  in Nationen denken, sondern internationalistisch! Wir müssen aufklären und zeigen, dass es dumm ist, sich an Nationen zu orientieren! Immerhin sind auch 69% der Jugendlichen, deren beide Elternteile Deutsche sind, stolz, ein*e Deutsche*r zu sein. [4] Doch dieses Denken ist gefährlich und grenzt aus!

 

 

Quellennachweis:

[1]  https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/03/PD16_097_621.html

[²] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4032/umfrage/rechtsextremismus-undfremdenfeindlichkeit-in-deutschland/

[3] INSA-Umfrage vom 06.02.2017, abgerufen auf http://www.wahlrecht.de/umfragen/

[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/508797/umfrage/einheimische-und-zuwanderer-zum-stolzdeutscher-deutsche-zu-sein/

 

 

 

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Ein Kommentar zu "Weniger Patriotismus, mehr Internationalismus wagen"

  1. Oliver Weber sagt:

    Sehr geehrter Herr Pöppl,

    ich möchte in diesem Kommentar auf Ihre Ansicht zum Patriotismus eingehen. Sie schreiben:

    »Für mich gibt es keine klare Differenzierung zwischen Patriotismus und Nationalismus, auch wenn Patriot*innen [sic!] oft strikt darauf beharren. Der Stolz auf eine Nation, aus welchen Gründen auch immer, führt stets zu einem geographischen Wir (…). Aus diesem geographischen Wir folgt direkt ein geographisches „die anderen“. Stolz auf eine Nation führt also zu einem „Wir“-Gefühl und daraus resultiert eine Abgrenzung zu Personen anderer Nationalität, da man sich überlegen und besser fühlt.«

    Diese Ausführungen scheinen mir nicht schlüssig. Dass aus einem formulierten Wir determiniert ein abgewertetes Die-Anderen folgen würde, ist entweder ein unbegründetes Slippery-Slope-Argument, oder ein klassisches: non sequitur.
    Denn: Das Wir ist erst einmal faktisch gegeben. Die Bundesrepublik Deutschland ist die von dem Grundgesetz, unserer Verfassung, konstituierte Republik der Deutschen. Deutscher wiederum ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Was bezweckt also jemand, der sich aus Vernunftgründen, d.i. nicht auch chauvinistischen Reflexen, zu diesem Wir, d.i. patriotisch, bekennt? Dieser anerkennt den Rahmen unseres staatlichen Handelns und begreift ihn als notwendiges Vehikel republikanischer Politik. Sich positiv auf dieses Wir, d.i. auf diese Republik, zu beziehen, heißt sie beim Wort zu nehmen. Wir greifen ihre Ideale auf, sowohl ihre staatsrechtlich-verfassungsmäßigen (Art. 1-20GG), als auch ihre historischen (die hellenische Philosophie, das römische Rechtsverständnis, das Christentum, der Humanismus, die Aufklärung, den deutschen Idealismus, die deutsche klassische Musik, die Romantik, die bürgerlich-freiheitliche Tradition seit 1808 bzw. 1848, usw. usf.) und überprüfen sie nach Vernunft, Wahrheit, Schönheit und Moral. Aus diesem aufgeklärten, positiven Bekenntnis folgt die Bestimmung unserer Politik. Wir führen die besten Traditionen, deutschen, europäischen und weltbürgerlichen Denkens fort. Das ist unser Anspruch. Deswegen sind wir patriotisch.

    Das heißt, mit unserem Patriotismus beziehen wir uns nicht auf eine real-existierende Nationalgeschichte oder gesellschaftliche Lage. Wir meinen Idealismus im edelsten Wortsinn: Die Republik als gemeinsamen Auftrag zu begreifen.

    Es mag sein, dass es auch einen anderen Patriotismus, einen unaufgeklärten, barbarischen, nationalistischen, ja faschistischen gibt. Aber dieser nimmt gerade dann Überhand, wenn die demokratischen Kräfte ihre besten idealistischen Traditionen aufgeben und sich in Negativ-Patriotismus üben. Ich schlage daher vor, dass Sie Ihre Kritik beibehalten, sie aber nicht als Gegen-Patriotismus, sondern als wahren Patriotismus begreifen. So ist Ihre Position glaubwürdiger, effektiver und besitzt mehr Einsicht auf Erfolg.

    Liebe Grüße
    Oliver Weber